Am vergangenen Mittwoch wurden vier „Stolpersteine“ in der Straße „Am Gänseanger 5“ zur Erinnerung an das Schicksal der jüdischen Brakeler Familie Weiler verlegt: Carl Weiler konnte als einziges Mitglied der Familie noch rechtzeitig vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten fliehen und 1937 in die USA auswandern. Einen Tag nach der Verlegung der Stolpersteine haben uns am gestrigen Donnerstag Judy Gartner und Susan Oberfeld aus Baltimore/USA, die Töchter von Carl Weiler, eine zweistündige Begegnung mit unseren Oberstufenschülerinnen und -schülern in der Breden-Aula ermöglicht. Die beiden Schwestern waren aus den Vereinigten Staaten angereist, um an der Verlegung der Stolpersteine teilzunehmen.
Schulleiter Dr. Matthias Koch stellte zu Beginn zunächst die Verbindung der beiden Schwestern nach Brakel dar: „In der Straße ‚Am Gänseanger 5‘ in Brakel wohnte die Familie Weiler, eine angesehene Familie, die in Brakel einen Handel mit landwirtschaftlichen Geräten betrieben hat, den Vorläufer des heutigen Kornhauses. Niemand konnte sich wohl vorstellen, was dann in den Jahren nach 1933 auch in Brakel passieren würde.“ Denn nur ein Mitglied der Familie Weiler konnte damals der Ermordung durch die Nationalsozialisten entgehen: Judy Gartners und Susan Oberfelds Vater Carl Weiler. Er emigrierte nach Baltimore und baute sich dort ein neues Leben auf.
Unsere Schülerinnen und Schüler hörten den Schwestern während der zweistündigen Veranstaltung am Donnerstag interessiert und ergriffen zu, hatten aber auch Gelegenheit, Fragen zu stellen. Nach einigen Fragen zu familiengeschichtlichen und persönlichen Erfahrungen mit der Verfolgung durch die Nationalsozialisten bezog sich das Interesse des Publikums anschließend auf allgemeinere Zusammenhänge, wie beispielsweise Deutschlands Verantwortung für die eigene Vergangenheit einzuschätzen ist und welche Parallelen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart dabei zu ziehen sind.
Julia Krause, Leonie Böker, Felix Koch und Jason Beineke aus der Q2 hatten die empathische und von großer Wertschätzung geprägte Moderation übernommen; Gina Fleischhauer (Q2) und Dr. Matthias Koch trugen einen Text bzw. ein Gedicht vor, welche in besonderer Weise betroffen machten und zum Nachdenken anregten. Julia Krause (Q2) betonte das Anliegen der Schülerinnen und Schüler, der verfolgten und ermordeten Brakeler Bürgerinnen und Bürger in würdevoller Weise zu gedenken: „Sie sollen nicht in Vergessenheit geraten. Ihre Geschichte darf nicht in Vergessenheit geraten. Kein Mensch sollte es verdient haben, als so unwürdig und wertlos betrachtet zu werden, wie es den sechs Millionen jüdischen Opfern des Holocausts widerfahren ist.“ Gleichzeitig drückte Julia Krause ihre Hoffnung aus, dass die Menschen aus der Geschichte gelernt hätten: „Unser aller Herz schlägt im selben Takt. Lasst uns gemeinsam diesen Takt hören und als Menschen zusammenstehen – in Akzeptanz, in Frieden und in Überzeugung, dass wir alle gleichwertig sind.“
Text und Fotos: Kai Hasenbein